Lauenensee statt Luzern
Monika Bandi Tanner

«Reisen fand in den letzten Jahren beinahe für alle und zu jedem Preis statt.»

Politik und Verwaltung

Wie Covid-19 den Tourismus verändert

Während des Lockdowns half Monika Bandi Tanner von der Forschungsstelle Tourismus der Universität Bern, kurzerhand für alle Mitarbeitenden im Schweizer Tourismus ein kostenloses E-Learning-Angebot namens «Faszination Tourismus» zusammenzustellen. Zudem analysierte sie, wie sich der Tourismus durch die Coronakrise veränderte.

 

Innerhalb von nur drei Wochen schrieben der ehemalige Tourismusprofessor Hansruedi Müller und Monika Bandi Tanner, Co-Leiterin der Forschungsstelle Tourismus, 15 Ausbildungs-Module zu Themen wie Chancen und Gefahren, Förderung von Qualität und Nachhaltigkeit sowie weitere wichtige Trends im Tourismus und kreierten damit das neue E-Learning-Angebot «Faszination Tourismus». Den Input dazu erhielten sie durch den Gstaader Tourismusdirektor Flurin Riedi, der sich bei der Forschungsstelle Tourismus erkundigte, ob es während des Lockdowns eine digitale Weiterbildung für seine Angestellten gebe.

«Nachdem Gstaad das Programm erfolgreich erprobt hatte, kam die Idee auf, es für alle Mitarbeitenden im Schweizer Tourismus kostenlos zugänglich zu machen», so Monika Bandi Tanner. Dafür spannten Bandi und Müller mit der Höheren Fachschule für Tourismus IST zusammen. Schliesslich schrieben sich über 500 Personen aus insgesamt 200 Organisationen ein – darunter etwa die gesamte Belegschaft von Basel Tourismus. «Das E-Learning-Programm sollte ein Beitrag zur Bewältigung der Coronakrise im Tourismus sein. Es ist für die verschiedenen Teilbereiche des Tourismus geeignet und praxisorientiert», erklärt Bandi Tanner.

Schweizer Tourismus hat sich verändert

Die Schweizerinnen und Schweizer reisten 2020 anders. Sie waren vor allem im Inland unterwegs und machten Tagesausflüge. «Sie besuchten auch Orte, die vorher ein Mauerblümchendasein führten», sagt sie. Statt Interlaken oder Luzern standen plötzlich das Binntal oder der Lauenensee hoch im Kurs. «Das ist insofern interessant, als sich in den letzten acht bis zehn Jahren in den Städten der Tourismus trotz der Frankenstärke sehr positiv entwickelte. In Gebieten, wo der Tourismus eigentlich Leitindustrie ist, etwa in den Alpen, stagnierte das Geschäft hingegen», erklärt sie. Das System korrigierte sich zumindest kurzfristig gewissermassen etwas selbst.

Wussten Sie, dass?

«Das Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus FIF (Vorgängerorganisation der Forschungsstelle Tourismus) wurde 1941 im Zweiten Weltkrieg per Regierungsratsbeschluss des Kantons Bern gegründet, um die gebeutelte Schweizer Tourismuswirtschaft mit Know-how und Forschung zu unterstützen.»

Nachhaltigeres Reisen?

«Die Coronakrise bedeutet sicher auch eine Chance für bewussteres Reisen», sagt Bandi Tanner. Bislang konnte der einzelne Tourist, die einzelne Touristin die negativen Auswirkungen des eigenen Reiseverhaltens leicht ausblenden. Wenn etwa die CO2-Emissionen des Tourismus zur Klimaerwärmung und damit auch zu mangelndem Schnee in Wintersportorten beitragen, dann federn die Tourismusanbieter dies mit künstlicher Beschneiung ab. «Durch die gesundheitliche Bedrohung wird Reisen nun mühsamer oder sogar risikoreicher – negative Auswirkungen unseres Reisens betreffen uns plötzlich persönlich», so die Tourismusexpertin. Deshalb würden wir uns nun bewusster überlegen, wann wir Risiken oder eine Quarantäne auf uns nehmen wollen. «Schliesslich wird aber, so nehme ich an, ein grosser Teil der Bevölkerung nach der Pandemie wieder in alte Muster zurückfallen – das Fernweh bleibt», erklärt Bandi Tanner.

Reisen wird wohl wieder exklusiver

Jedoch würden die touristischen Karten in den nächsten zwei bis drei Jahren wohl neu gemischt. «Reisen fand in den letzten Jahren beinahe für alle und zu jedem Preis statt», sagt Bandi Tanner. «Die Schutzkonzepte werden sich in höheren Kosten niederschlagen, da sich Hotelketten oder Airlines auf stark frequenzbasierten, durch hohe Fixkosten gekennzeichnete Geschäftsmodelle abstützen», erklärt sie. Das Reisen könnte somit wieder exklusiver werden.

FORSCHUNGSSTELLE TOURISMUS

Die Tourismusforschung und -lehre ist mit der Forschungsstelle Tourismus im Center for Regional Economic Development (CRED) integriert. Als interdisziplinäre Forschungsstelle befasst sie sich mit touristischen Fragestellungen unter breiter volkswirtschaftlicher Perspektive und bezieht weitere relevante Aspekte und Disziplinen ein. Zudem gilt sie als Anlaufstelle für Fragen der touristischen und regionalwirtschaftlichen Entwicklung sowie für angewandte Forschung und Dienstleistung.

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