Insektengift schadet Ameisen

Gesundheit und Medizin

Alarmierende Langzeitwirkungen auf Ameisen

Forschende des Instituts für Bienengesundheit der Universität Bern zeigen, dass schon geringe Rückstände von Neonikotinoid-Insektengiften die schwarze Gartenameise nachhaltig beeinträchtigen. Die Forschenden hinterfragen den aktuellen Einsatz von chemischen Insektengiften und rufen zu nachhaltigeren Lösungen in der Landwirtschaft auf.


«In den letzten Jahren ist ein weltweiter Rückgang der Menge und Vielfalt von Insekten zu beobachten. Davon sind auch Ameisen betroffen, die eine unersetzliche Rolle in unseren Ökosystemen spielen und dazu beitragen, unsere natürliche Biodiversität aufrechtzuerhalten», sagt Daniel Schläppi vom Institut für Bienengesundheit der Universität Bern, Hauptautor der Studie. Eine Ursache für den globalen Insektenverlust sehen Forschende in Pestiziden. «Aufgrund ihrer chemischen Eigenschaften kontaminieren Neonikotinoid-Insektizide Böden und Grundwasser und können bereits in Gebieten nachgewiesen werden, in denen sie gar nicht eingesetzt werden», verdeutlicht Ko-Autor Gaétan Glauser der Universität Neuenburg. Niedrige Mengen Neonikotiniod wirken nicht tödlich, doch die Studie weist gravierende Langzeitauswirkungen nach, die bisher noch nicht untersucht wurden.

Die negativen Effekte werden erst im zweiten Jahr der Kolonieentwicklung ersichtlich, wie die Daten, welche an der Universität Bern in Zusammenarbeit mit Agroscope und der Universität Neuenburg erhoben wurden, aufzeigen. Gemäss den Autorinnen und Autoren verdeutlicht diese Studie die Wichtigkeit, eine nachhaltige Landwirtschaft anzustreben, um nicht wiedergutzumachende Schäden an unserer Umwelt zu verhindern.

Signifikant weniger Arbeiterinnen

Das Neonikotinoid-Insektizid Thiamethoxam kommt in der Landwirtschaft zum Einsatz, um Schädlinge zu bekämpfen. Wie mehrere Studien bereits belegen konnten, schaden diese Substanzen auch Nützlingen, wie zum Beispiel Bienen. «Wie wir nun zeigen konnten, werden leider auch Ameisen durch diese Chemikalien beeinträchtigt», sagt Schläppi. Für die Studie wurden Ameisenköniginnen der schwarzen Gartenameise (Lasius niger) gesammelt, im Labor während 64 Wochen unter realistischen Bedingungen wie im Feld Thiamethoxam ausgesetzt und bei der Koloniegründung beobachtet.

Zu Beginn der ersten Überwinterung wiesen Kolonien, die chronisch einem Pestizid ausgesetzt waren, und Kolonien aus der Kontrollgruppe keine Unterschiede in der Koloniegrösse auf. Im darauffolgenden Jahr jedoch wurde ersichtlich, dass die Kolonien der Pestizid-Gruppe signifikant weniger Arbeiterinnen umfassten. Da eine grosse Anzahl an Arbeiterinnen ein entscheidender Faktor für den Erfolg einer Ameisenkolonie ist, ist somit das Überleben der Kolonien gefährdet. «Wenn wir berücksichtigen, wie wichtig Ameisen für unsere Ökosysteme sind, wird klar, dass der Einsatz von Neonikotinoiden eine Bedrohung für unsere Umwelt darstellt», betont Schläppi.

Aufruf zu nachhaltigen Lösungen

«Langzeiteffekte von Neonikotinoid-Insektiziden auf Ameisen sind alarmierend», sagt Peter Neumann, Professor am Institut für Bienengesundheit der Universität Bern. «Unsere Studie zeigt beispielhaft, wie lange es dauern kann, bis die Auswirkungen solch geringer Rückstände an Agrar-Chemikalien sichtbar werden – mit potenziell weitreichenden Konsequenzen.» Für künftige Risikoabschätzungen sei es sehr wichtig, Ameisen als Modellorganismen zu berücksichtigen und Langzeiteffekte einzubeziehen, betonen die Autorinnen und Autoren. Dadurch solle eine nachhaltigere Landwirtschaft dauerhaft gesichert werden.

Wussten Sie, dass?

«Um einen ‹Verkehrsstau› zu verhindern, markieren Ameisen den Weg von einer Futterquelle zum Nest mit einem Pheromon. Dadurch werden Mitbewohner der Kolonie angelockt, denselben Weg zur Nahrungsbeschaffung zu benutzen. Steigt nun die Zahl der Tiere auf der Wegstrecke so stark, dass sie sich gegenseitig behindern, geben sie weniger Pheromone ab. Dadurch verliert der Pfad an Attraktivität und das Verkehrsaufkommen sinkt.»

Institut für Bienengesundheit

Das Institut wurde im Jahr 2013 gegründet und besteht aus einem internationalen, hochmotivierten Team, dem die Bienen und ihre Gesundheit sehr am Herzen liegen. Priorität des Instituts ist es, die Gesundheit der Bienen zu verstehen und zu verbessern, indem es grundlegende und angewandte Forschung betreibt und Wissen an Studierende, Imkerinnen und Imker und andere Interessengruppen weitergibt. Das Institut fördert die internationale Zusammenarbeit und ist Sitz der globalen Vereinigung COLOSS (Prevention of honey bee COlony LOSSes).

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