Rabiate Reiterkrieger
1700 Jahre alte Skelette in Sibirien offenbaren die Brutalität der Steppennomaden

Interkulturelles Wissen

Troubles in Tuva

Die Republik Tuva in Südsibirien ist bekannt für ein reiches archäologisches Erbe insbesondere der frühen Eisenzeit, in der erstmals reiterkriegerische Stammesverbände auftraten. Die wissenschaftliche Untersuchung ihrer Gräueltaten führte zum Kurztitel der Studie «Troubles in Tuva».

 

Seit 2017 leitet Dr. Gino Caspari vom Institut für Archäologische Wissenschaften der Universität Bern dort die Ausgrabungen gemeinsam mit zwei Kollegen von der Russischen Akademie der Wissenschaften. Sie enthüllten ein Gräberfeld aus dem 2. bis 4. Jahrhundert n. Chr. mit 87 Skeletten, von denen viele Spuren von Gewalt aufweisen.

Rund 1700 Jahre alte Skelette südsibirischer Steppennomaden am archäologischen Fundplatz «Tunnug1» in der Republik Tuva in Südsibirien. (© Tunnug 1 Research Project)

Das internationale Team führte eine detaillierte Analyse der Traumata an den Knochen durch und konnte so auf die Art der Gewalteinwirkung schliessen. Sie konnten zeigen, dass 25 Prozent dieser Menschen infolge äusserer Gewalteinwirkung verstarben. Zumeist entstanden die tödlichen Verletzungen im Nahkampf. Oft wurden die Opfer geköpft. Den Forschenden gelang es nachzuweisen, dass manche möglicherweise noch auf dem Schlachtfeld skalpiert und ihre Hälse durchgeschnitten wurden.

Das Institut für Rechtsmedizin arbeitet zusätzlich an Isotopenanalysen und extrahiert die DNA aus den Knochen, um mehr über die Lebensumstände und die genetische Zugehörigkeit dieser Reiternomaden herauszufinden.

Die Studie lag unter der Federführung von Dr. Marco Milella von der Abteilung Anthropologie des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Bern. Publiziert wurde sie im American Journal of Physical Anthropology.

Kurz gesagt

«Die Kampfhandlungen und Rituale nach so langer Zeit detailliert nachzuvollziehen ist faszinierend, vieles bleibt aber mysteriös.»
Dr. Marco Milella

Das Institut für Rechtsmedizin, Abteilung Anthropologie

Neben der forensischen Fallarbeit ist die Abteilung Anthropologie des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Bern in internationale und lokale archäologische Ausgrabungen und Forschungsprojekte involviert. Bei diesen Projekten stellt die Abteilung ihre anthropologische Expertise zur Verfügung. Die analysierten menschlichen Überreste umfassen dabei einen Zeitraum von der Prähistorie bis zur heutigen Zeit. Das Untersuchungsmaterial kann dabei aus Fragmenten, Einzelknochen, Skeletten und Mumien bestehen und aus Einzel- oder Mehrfachbestattungen, Grabhügeln und Felsgräbern stammen. Die Abteilung führt anthropologische und paläopathologische Analysen durch und beprobt die Überreste, um Radiokarbondatierungen, stabile Isotopen- und paläogenetische Analysen im Labor durchzuführen. Die daraus resultierenden Daten sind die Basis für interdisziplinäre Studien zur Ernährung, Mobilität, Krankheitsbelastung, Populationsgenetik und Verwandtschaftsbeziehungen vergangener Populationen.

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